Life Is A Journey mit Benjamin Patch

Wie der Designer und ehemalige Sportler seinen eigenen Weg geht

Benjamin Patch stieß vor kurzem auf einen alten Kommentar aus den Tiefen des Internets und war sowohl verblüfft als auch bestätigt. Es scheint, als hätte er damals unbewusst seine Zukunft bestimmt. „Möbel- und Innenarchitektur“, hatte er einem neugierigen Fan zurück getippt auf dessen Frage, was er alternativ zu Volleyball machen würde, sollte er seine weltweit gefeierte Karriere jemals aufgeben.

Es ist ein sonniger Freitagmorgen und ich treffe Benjamin in seiner lichtdurchfluteten Wohnung in Berlin-Mitte. Er sitzt an einem Holztisch, den er, wie Du Dir jetzt denken kannst, selbst designt und gebaut hat. Wie alles um uns herum, von voluminösen, organisch geformten Vasen bis hin zu schlanken, zeitlosen Kerzenständern, Steinstühlen und Metallhockern, verkörpert der Tisch Benjamins kreatives Werk. Aber auch die vielen Souvenirs wie eine geflochtene Schale aus Lagos in Nigeria oder Steine ​​aus Mallorca zeigen, wie vielfältig Benjamin aufgestellt ist. Nur wenige Tage zuvor war der Designer und Kreativdirektor von einer Kalifornienreise zurückgekehrt, wo er weit weg von Berlin nach Meer und Ausgleich suchte.

Jede Geschichte, die mir Benjamin aus seinem Leben erzählt, unterstreicht seine Bewunderung für die Menschen und Orte, die seine Reise bisher ausmachten. Die Liebe und Akzeptanz, die er erfahren hat, inspirieren sein gesamtes Schaffen. Auch der Einfluss der Natur zeigt sich in der Materialität und Beschaffenheit seiner Keramiken. Der selbsternannte Keramiktänzer lebt immer in Bewegung und besinnt sich auf seinen offenen Geist und sein offenes Herz, um sich weiterzuentwickeln; dabei folgt er mutig seiner Intuition. Seine Reise führte ihn von seinen Elternhäusern in Utah und auf den südpazifischen Inseln nach Italien und Berlin. Dabei fand er sich selbst und Klarheit über die Welt – „eine sehr menschliche und zu mir passende Erfahrung”, sagt Benjamin.

Benjamin wurde in eine weiße Mormonenfamilie adoptiert – in eine Kultur, die nicht seine eigene war – und „kam so unter speziellen Umständen auf diese Welt“, sagt er. Seine damals im medizinischen Bereich tätigen Eltern zogen mit der vierköpfigen Familie nach Neuseeland und später ins benachbarte Tonga. Acht Jahre später, zurück in Utah, entdeckte Benjamin seine Vorliebe für Volleyball – „damals ein Mädchensport in meinem Bundesstaat.” Er greift nach einem erdfarbenen, ungleichmäßig gemusterten Krug – das erste Keramikstück, das er im Alter von 14 Jahren anfertigte – und lacht: „Damals dachte ich, das sei das Hässlichste auf der Welt. Heute ist es mein Lieblingsstück überhaupt.“ Design und Töpferei waren Benjamins erste Liebe – bevor Volleyball den Verlauf seines Teenager- und jungen Erwachsenenlebens bestimmte.

Mit 16 Jahren spielte er in Kalifornien in der Vorauswahl für die US-Jugendnationalmannschaft – der Beginn eines „unerwarteten, surrealen Traums. Wo ich herkomme, gab es das einfach nicht“, sagt er. Er erzählt, wie er im Auto seines Vaters saß und den Anruf der BYU Utah erhielt, die ihm ein Vollzeitstipendium für sein Designstudium anbot. „Außerdem war ich nicht der typische Football- oder Baseball-Typ. Als die Person, die ich sein wollte, anerkannt zu werden und meine Familie so stolz zu sehen, war all das Mobbing in der High School wert.“

Sein Leben ging schnell voran. Nach seinem Abschluss spielte er in Italiens und Deutschlands Profiligen; gleichzeitig galt er als Top-Spieler der US-Männer-Nationalmannschaft. In Kalabrien, Italiens sonnenverwöhnter Region mit einer altmodischen Mentalität, lernte er die Sprache, um sich anzupassen, fühlte sich aber dennoch anders. „Meine Queerness wurde mir immer bewusster. Also fiel es mir schwer, in einer Community ohne viel zeitgenössisches Denken zu leben“, bemerkt er. Dank glücklicher Umstände wechselte er 2018 zu den Berliner Recycling Volleys und outete sich persönlich, aber auch öffentlich, durch Zufall. „[In Berlin] wirkte nichts aufdringlich; die Straßen, die Gebäude, die Bäume, alles ergab einen Sinn. Es war ein spirituelles Gefühl: Hier sollte ich sein. Alles erschien so, wie es immer sein sollte“, sagt er. Im Oktober 2020 sinnierte er in einem Interview mit der Lokalzeitung Tagesspiegel über die Möglichkeiten in Berlin, sich als queerer Mann auszudrücken. Benjamin wurde der erste aktive und offen queere Spieler in einer deutschen Profiliga.

Benjamin, Sternzeichen Krebs, strahlt im Rampenlicht und versteckt sich genauso gerne in seinem Schneckenhaus. Er genoss die Aufmerksamkeit also zunächst nicht. „Aber daraus ist eine wirklich tolle Plattform geworden, die vielen jungen Menschen und aktiven Sportlern geholfen hat. Darauf werde ich immer stolz sein.“ Letztes Jahr, mit 28 und auf dem Höhepunkt seiner Karriere, sorgte auch sein Ausstieg aus dem Volleyball für Schlagzeilen. „Ich habe alles gegeben, und es hat mir gegeben, was es konnte – es war an der Zeit, etwas anderes aufzubauen“, sagt er über seinen Karrierewechsel und die Gründung von be.assembly, seinem Innenarchitekturstudio. Damit seine Community seine neue Identität akzeptierte, musste er selbst damit abschließen. Heute bleibt er dem Volleyball nur als Mentor treu: „Im Sport brechen [sexualitätsbezogene] Tabus langsam. Toll wäre es, diesen Wandel für jüngere Generationen mitzugestalten und sie so unbeschwerter aufwachsen zu sehen.“

Wie fühlt sich diese neu gewonnene Freiheit an? „Als würde ich gerade erst anfangen. Es ist so aufregend, wie mich all diese Geschichten in mein nächstes Kapitel treiben. Dieser Neuanfang könnte sogar eine offene Beziehung mit Berlin beinhalten.“ Ganz schön Berlin, könnte man sagen. Benjamin möchte neue Geschichten erzählen und Menschen dazu inspirieren, sich bewusster mit Objekten und den Räumen, in denen sie leben, zu befassen. „Besonders in der Coronazeit – sie, deren Name nicht genannt werden darf – wurde es so deutlich, dass wir in diesem rasanten Tempo an Lebensqualität verlieren. Es ist so wertvoll, mit den Dingen um Dich herum Deine eigene Welt zu schaffen.”

Benjamin mit dem Buch O von seinem Freund und Fotografen Luis Alberto Rodriguez, das intime Porträts von den Menschen in der Community des Künstlers zeigt. Benjamin ist auch in dem Buch zu sehen.

Benjamin träumt davon, sich irgendwann zwischen mediterranen Bergen und hohen Bäumen niederzulassen. Seine Rückkehr zur Natur, mit Schönheit und Ruhe direkt vor seinen Augen, wo er nur seinen Gedanken freien Lauf lässt. „Das macht uns als Menschen aus: geben und nehmen, bewegen, aufnehmen und verteilen.“ Was hat ihn das Reisen, die einzige Konstante in seinem Leben, eigentlich gelehrt? „Wir machen alles falsch, und wir machen alles richtig.“

Danke, Benjamin, dass wir einen Blick hinter die Kulissen werfen und Dein Leben, Deine Werke und Dein Berliner Zuhause entdecken durften. Diese Geschichte ist Teil von Life Is A Journey, eine Interviewreihe, die sich mit intimen Erzählungen und Vorstellungen vom Reisen beschäftigt.

Fotografie von Jessica Jones
Videografie von Jonny Brooking
Text und Interview von Ac Schubert

Benjamins Reisebegleiter