Die Schönheit elektronischer Musik mit Dani Ramos
Ein Interview mit der kolumbianischen, in Berlin lebenden DJane, Produzentin und Labelbesitzerin
Es ist ein sonniger Julinachmittag, und ich treffe Dani Ramos draußen vor der Kreuzberger Marheineke Markthalle mit ihrer Tochter Zulu. Die DJane, Produzentin und Labelbesitzerin trägt ein strahlendes Lächeln; sie gehört zu den Menschen, bei denen man sich sofort wohlfühlt. Dani kommt ursprünglich aus Cali, Kolumbiens Hauptstadt des Salsa, und lebt seit 2014 in Berlin. Die zweifache Mutter wohnt ganz in der Nähe; aktuell teilt sie ihre Zeit hauptsächlich zwischen dem Lacroix Studio, ihrem Aufnahmestudio, und der Kinderbetreuung auf.
Danis Arbeit reicht vom Produzieren und Spielen eigener Musik über die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern bis hin zu Filmjobs – das Portfolio der 33-Jährigen umfasst Tracks für TV-Opener, Dokumentationen und Filmproduktionen. Danis Stil wechselt zwischen lebendigem und minimalistischem House; sie integriert sogar Salsa in ihre Sets. Vor dem Lockdown spielte sie oft in Berliner Institutionen wie Watergate. „Ich bin nicht religiös, aber die Panorama Bar ist meine Kirche“, lacht sie.
Musik war schon immer in Danis Leben, vom Geigenspiel als Kind bis zum Auftritt im Schultheater. „Ich gebe meiner Mutter die Schuld, dass ich DJane geworden ist“, lacht sie. „Wir wohnten ziemlich weit draußen auf dem Land, also fuhr ich jeden Tag eineinhalb Stunden mit dem Bus zur Schule und zurück. Was hätte ich sonst tun sollen, außer Musik zu hören?“ Mit 18 ging sie auf Partys mit elektronischer Musik und freundete sich mit DJs an, die sie dazu inspirierten, selbst eine zu werden – bald spielte sie im ganzen Land, darunter Medellín, Bogota und Cartagena.
Mit 23 eröffnete sie eine Show von Luciano, dem DJ und Produzenten, der die Szene in Lateinamerika seit Jahrzehnten vorantreibt. „Das hat meine Perspektive auf Musik völlig verändert. Während meines Grafikdesign-Studiums hatte ich das DJing eher als Hobby betrachtet – [Luciano] hat mich motiviert, es ernster zu nehmen.“ (Dani und Luciano haben sich seitdem viele Male wiedervereinigt – dieses Jahr veröffentlichen sie gemeinsam einen Remix.) Support-Acts für Seth Troxler, Guti, Clive Henry, Ryan Crosson und mehr, sowie Gigs auf der ganzen Welt folgten. „Dann wurde sie geboren“, sagt Dani mit einem Lächeln und zeigt auf Zulu. Danis vierjähriger Sohn Mael ist zu Hause mit ihrem Partner Guti.
Warum überhaupt Berlin? „Ich bin mit dem Vater meiner Kinder hierher gekommen, um Musikproduktion zu studieren. Ich habe es hier einfach geliebt, also sind wir geblieben. Ich habe dann am SAE Institut Tontechnik studiert, mein geliebtes Auto verkauft und das Studio gekauft“, erinnert sie sich. Dani macht es am meisten Freude, kreativ zu sein. „Ich liebe es, wenn ich das Zeitgefühl verliere, wenn es fünf Stunden sind und ich mich immer noch an einen anderen Ort versetzt fühle. Es fühlt sich nicht einmal nach Arbeit an“, sagt sie.
2020 sollte ein großes Jahr für sie werden, einschließlich der Eröffnung der Kolumbien-Show von Ricardo Villalobos im März. „Die Absage war schmerzhaft“, seufzt sie, ihr Gesicht hellt sich aber schnell wieder auf: „Ich habe aber während der Pandemie viel Musik gemacht; es war ein guter Moment, um geerdet zu sein. Vielen DJs fehlt die Geduld, so viel Zeit im Studio zu verbringen – zum Glück haben mir meine Kinder gezeigt, was Geduld ist.“ Sie arbeitet mindestens vier Stunden am Tag. Während des Lockdowns, gibt sie zu, sei dies besonders herausfordernd gewesen. „Als Mutter habe ich eine Verantwortung. Ich möchte, dass meine Kinder gut aufwachsen, also muss ich sehr organisiert sein. Ich lasse mir immer noch Zeit; hoffentlich gibt es bald einen Punkt, an dem ich all meine Energie in [Musik] stecke. Ich liebe es, neue KünstlerInnen aufzunehmen, sogar deutsche Rapper, Jazz-Musiker – wir haben immer viele verschiedene Leute da.“ Während die Dinge endlich wieder Fahrt aufnehmen – Dani ist vor kurzem in Ibiza aufgetreten, ihrem europäischen Lieblingsreiseziel – brachte diese Zeit auch ihr neues House-Musiklabel Música Cachonda auf die Welt, das „verspielte Musik mit einem sinnlichen Twist“ bedeutet.
Für Dani liegt die Schönheit der elektronischen Musik in ihrer vielfältigen Community: „Auf der Tanzfläche tanzt man einfach mit der Person, die neben einem steht, und es ist einem egal.“ Von Natur aus lebhaft und aufgeschlossen, ist sie nicht nur ihre eigene Agentin in einer Szene, die auf Verbindungen angewiesen ist, sondern liebt es wirklich, Menschen zu treffen und ihre Geschichten zu hören. Sie grinst, wenn sie an ihre Liebe zur Geselligkeit denkt. Am Tag nach unserem Interview reist Dani zu einem stillen Retreat nach Lettland. „Zehn Tage ganz abgeschieden, ohne Handy, ich kann nicht einmal Notizen machen“, sagt sie als wir uns vor einem plötzlichen Regenschauer schützen. Zwei Wochen später schwärmt sie per E-Mail von ihrer Vipanassa-Erfahrung und dem Alleinsein mit ihren Gedanken – sie hat neue Energie getankt und ist bereit, sich wieder voll und ganz in Passion-Projekte zu vertiefen.
Daniela Ramos ist eine kolumbianische DJane, Produzentin und Labelbesitzerin in Berlin. Sie ist die Moderatorin unseres neuen Interviewformats My Music My Journey, für das sie einige der größten Stimmen der elektronischen Tanzmusik über ihre künstlerischen Wege interviewt. Schau Dir die erste Folge mit Mathew Jonson hier an.
Text von Ann Christin Schubert